Von Mailand kommend überqueren wir den über seine Ufer getretenen Po. Es hat viel geregnet in diesem Jahr. Keine gute Nachricht für die Winzer. Ihre Produktion wird in diesem Jahr dar- unter leiden. Manche sprechen von einem Rückgang um bis zu 20 Prozent. Dennoch wird Italien einer der drei größten Weinpro- duzenten weltweit bleiben. Reichlich über 47 Millionen Hektoliter waren es 2013.
Richtung Piacenza fahrend, beginnt das Land hügelig zu werden. Wir haben die Emilia Romagna erreicht, mit über sieben Millionen produzierten Hektolitern die zweitgrößte Weinbauregion des stiefelförmigen Landes. „Sette Colli“ (sieben Hügel) nennt sich diese postkartenschöne Gegend, mehr als 200 Meter über NN gelegen, jeder Hügel von einem Dorf gekrönt, zwischen denen sich mit dicht an dicht stehenden Reben die Weinberge wellen.
Ziano Piacentino heißt die Gemeinde, zu denen sich die Dörfer zusammengeschlossen haben. Die junge Generation – sie sind zumeist Anfang Dreißig – 15 traditionsreicher Weinbetriebe haben einen Verein gegründet, um ihre Produkte wirksamer zu vermarkten. Man spürt, dass ihnen ihre Arbeit große Freude bereitet. Und wir bemerken, dass es im wohlbekanntenWeinland Italien, dem Synonym für guten Geschmack von Design bis zu gutem Essen und Trinken, noch immer unentdeckte Ecken gibt – und vor allem wenig bekannte Rebsorten.
Ortrugo & Malvasia – Feinste Trauben für guten Wein
Die Verkostung beginnt immer mit dem weißen Ortrugo, einer autochthonen Rebe der Colli Piacentino, die erst Ende der 1960er Jahre wiederentdeckt wurde. Mit seiner natürlichen Kohlensäure neigt dieser Wein zum Perlen, weshalb er oft als Frizzante hergestellt wird. Auch eine besondere Sorte des Malvasia (aus anderen Ländern auch als Malvasier oder Malvoisie bekannt) wächst in dieser lieblichen Gegend.
Eine weitere Besonderheit, die es nur hier gibt, ist der dunkelrote, kräftige Gutturnio, der aus den Trauben Barbera (60 Prozent) und Bonarda (40 Prozent) gekeltert wird. Die Winzer der Colli Piacentino bieten ihn auch als Frizzante an, was allerdings nicht alle Weinliebhaber schätzen. Sie werden lieber zum Classico Superiore greifen oder zum Gutturnio Riserva, wie ihn Filippo Zerioli ausbaut.
Seit 1890 betreibt die Familie Weinbau, auf inzwischen 62 Hektar. Mit Enthusiasmus zeigt er Betrieb und Keller und lädt zur Verkostung in sein re- präsentatives, rotes Haus, in dem er auch Zimmer vermietet. Die meisten Winzer in Ziano Piacentino können auf eine lange Tradition zurückblicken, einige der Familien begannen mit dem Weinbau bereits im 18. Jahrhundert. Und ihre Betriebe sind ergiebig.
120 Liter je Hektar geben sie her. Klingt nach Massenware, ist sie aber nicht. Die hohe Produktivität ergibt sich aus dem sehr dichten Stand der Reben. Nur fünf Prozent des Ertrages werden ins Ausland exportiert, nach Frankreich, Deutschland, Dänemark, Norwegen, in die Schweiz, sogar nach Japan und die USA. Doch der Anteil soll höher werden, daher die Exportinitiative.
Schwer fällt der Abschied von dieser lieblichen Landschaft mit ihren genussfreudigen Menschen, aber schöner kann er nicht sein. Wir sitzen auf der Terrasse von Roberto Civati, auch er vermietet Zimmer. Hanglage, der Blick geht bei warmer Herbstsonne über die Rebenhügel mit den darauf gewürfelten Dörfern, ein paar letzte Schlucke Ortrugo, Malvasia und Guttur- nio. Und wenn dazu La Mamma kocht …
Gastartikel von Rainer Schubert