Hamburger Aufsteiger im neuen Gault Millau 2010: Heiko Hagemann. „Memory“ in Sülldorf und Michael Winkle vom „Calla“ in der Neustadt / Kochmütze für Tim Mälzer in seiner „Bullerei“.
Den „Aromenkünstler“ Wahabi Nouri vom „Restaurant Piment“ in Eppendorf kürt die französische Gourmet-Bibel Gault Millau in ihrer jetzt erscheinenden Deutschlandausgabe 2010 zum „Koch des Jahres“. Aus der Begründung: Nouri hat ein „sehr erfolgversprechendes Rezept gegen Gästeschwund aufgrund der allgemeinen Wirtschaftskrise: aus vermeintlich Einfachem das Allerbeste zu machen, die teuren modischen Edelprodukte durch ausgetüftelte Ideen und den Luxus durch Aromenfülle zu ersetzen.
Außerdem singt Nouri, der die ganz große kulinarische Oper darbieten könnte, aus wirtschaftlicher Vernunft nur die Arien, die er am besten kann und die sein Publikum in seiner Interpretation mag. Dies ist ein Konzept für den Ausweg aus der aktuellen Krise und für den grundsätzlichen Erfolgsweg junger Köche in die Selbständigkeit.“
Der 39-jährige Wahabi Nouri „schüttelt gute Ideen mit Leichtigkeit aus dem Ärmel. Das Thunfischtatar krönt er mit einer Hippe aus karamellisiertem Essig, dem Weinbergspfirsich und Himbeer/Minz-Sorbet mischt er übermütig ein paar molekulare Knisterkristalle bei und serviert daneben noch einen köstlichen geeisten Orangenblütentee“.
Der in Casablanca geborene, aber in Deutschland aufgewachsene Schüler großer Köche wie Witzigmann und Wohlfahrt „beeindruckt auch mit seiner ausgetüftelten schöpferischen Küche, wenn er die Ochsenschulter nicht klassisch in Rotwein, sondern (würzig und lange mariniert) in Bouillon und Weißwein schmort und mit einer Messerspitze alter marokkanischer Butter abrundet, die wie Gorgonzola riecht“. Nouri erhält vom Gault Millau, der nach dem französischen Schulnotensystem urteilt, 18 von 20 möglichen Punkten. Sie stehen für „höchste Kreativität und bestmögliche Zubereitung” Eine höhere Bewertung haben hierzulande nur 11 Köche.
Er schließt damit zu Thomas Martin vom „Jacobs“ an der Elbchaussee auf, der die kulinarische Hitparade in Hamburg seit 2002 allein mit 18 Punkten anführte. Die Tester loben: „Er hält den richtige Abstand zu den Moden – daran erkennt man die Großen. Martin ist sich nie zu schade, einen Trend aufzunehmen. Er erprobt ihn, denkt ihn weiter, fügt ihm etwas Eigenes hinzu. Und das so ent-spannt, dass sich kein Gast als Versuchskaninchen fühlt. Die geschmorte Och-senbacke mit Rotweinjus und Zitronenpolenta liest sich wie Understatement, schmeckt aber wie State of the Art.“
Platz 2 der kulinarischen Hitparade der Hansestadt verteidigen mit ihren wieder erhaltenen 17 Punkten:
• Karlheinz Hauser im „Seven Seas“ auf dem Süllberg, der „seine Menüs nach der Devise zu komponieren scheint: Das Beste zuerst. Allein mit dem Lob des achtfachen Küchengrußes könnten wir mühelos eine Seite füllen. Vom sphä-rischen Mozzarella bis zum Filetwürfel vom Wagyu-Rind kommt da schon mehr auf den Tisch, als mancher Koch überhaupt im Repertoire hat. Das ist gekonnt und verrät eine Freude am großen Auftritt, die an diesen Ort passt.“
• Christoph Rüffer vom Restaurant „Haerlin“ im Hotel „Vier Jahreszeiten“, der „das meist fast vollständige Repertoire französischer Edelprodukte mit originellen Ideen auflockert. Bisweilen wagt er kühne Experimente, die stets Respekt vor den exquisiten Produkten wahren, beispielsweise bei geeistem Olivenöl zum Krebstatar auf einem Schwertfischcarpaccio“.
16 Punkte, die einen „hohen Grad an Kochkunst, Kreativität und Qualität“ be-deuten, erkocht sich erstmals Heiko Hagemann vom „Memory“ in Sülldorf dank „herzhafter Ochsenschwanzpraline auf getrockneten Kirschen oder Variation von Entenstopfleber und Wachtel, die wirklich variantenreich war – vom Wachtelbrustfleischstrudel über das glasierte Keulchen bis zum Stopfleber-Eis auf Rote Bete-Kompott“.
15 Punkte, bei denen im Verständnis des Guides jene Küchenklasse beginnt, in der Kochen zur Kunst wird, erreicht Michael Winkle vom „Calla“ in der Neustadt. Er „prägt die Karte französisch-mediterran und bietet gut komponierte, günstige Menüs“.
Die Tester beschreiben und bewerten dieses Jahr insgesamt 29 Restaurants in Hamburg. Bis auf den „Edelimbiss Curry Queen“ in Eppendorf zeichnen sie alle Küchenchefs mit einer oder mehreren Kochmützen aus, wofür die Könner am Herd mindestens 13 von 20 möglichen Punkten erreichen müssen, was einem Michelin-Stern nahe kommt. Das schaffen auf Anhieb das neueröffnete Restaurant „Vlet“ in der Speicherstadt (14 Punkte) sowie Steffen Hensslers „Ono“ in Hoheluft-Ost und Tim Mälzers „Bullerei“ im Schanzenviertel (13 Punkte).
Die Kritiker attestieren Mälzer „faire Preise für teils monströse Portionen, bei denen fast immer eine Zutat dabei ist, die etwas und angenehm aus dem Rahmen fällt. Aber nichts ließ auch nur ahnen, dass wir hier bei Deutschlands bekanntestem Koch aßen“.
Die besten Restaurants des Gault Millau in Hamburg
18 Punkte:
1. Jacobs im Hotel Louis C. Jacob in Nienstedten, Piment* in Eppendorf,
17 Punkte:
3. Haerlin im Hotel Vier Jahreszeiten,
Seven Seas auf dem Süllberg,
16 Punkte:
5. Landhaus Scherrer in Ottensen,
Le Canard nouveau in Ottensen,
Memory* in Sülldorf,
Poletto in Eppendorf,
Tafelhaus in Ottensen,
15 Punkte:
10. Calla* im Hotel Steigenberger in der Neustadt,
Fischereihafen-Restaurant in Altona,
Henssler Henssler in Altona,
Osteria Due in Pöseldorf,
Prinz Frederik im Hotel Abtei in Harvestehude,
Rive in Altona,
Sgroi in St. Georg
Tschebull in der City.
*Aufsteiger **Absteiger
Pressetext via Gault Millau