Gault Millau aktuelle Restaurantbewertungen für Niedersachsen

Jacqueline Amirfallah in Göttingen kocht sich im neuen Gault Millau 2010 in den Rang der Kochkunst / Weitere Aufsteiger: Arndt Weick und Benjamin Mensel in Hannover.

Jacqueline Amirfallah vom „Gauß“ in Göttingen steuert nach dem Geschmack der französischen Gourmet-Bibel Gault Millau „zielstrebig mit zu Ende gedachten Kombinationen und sicherem Gespür für Harmonie in Richtung Spitzenküche“. Die gebürtige Iranerin, studierte Soziolo-gin und Fernsehköchin („ARD-Buffet“) beeindruckt in der jetzt erscheinenden Deutschlandausgabe 2009 mit Gerichten wie einem „Törtchen von trocken ge-bratenen Pfifferlingen, das perfekt mit Estragon, Majoran, Schnittlauch, Petersilie sowie Zwiebellauch gewürzt war, auf einem dünnen Blätterteigsockel ruhte und von karamellisiertem Gjetost bedeckt war, einem norwegischen Ziegenmolkenkäse.

Dies für sich schon wundervoll harmonisch schmeckende Kunstwerk vervollkommnete Madame mit gebratener und in Portwein angezogener Entenleber und Entenlebermousse sowie Blattsalaten mit Balsamicovinaigrette und kleinen knusprigen Brikteig-Dreiecken, die mit Salz und Majoranblättchen gewürzt waren.“ Sie verbessert sich in dem Guide, der nach dem französischen Schulnotensytem urteilt, von 14 auf 16 Punkte, die einen „hohen Grad an Kochkunst, Kreativität und Qualität“ bedeuten.

Von 15 auf 16 Punkte steigert sich Arndt Weick von der „Gastwirtschaft Wich-mann“ in Hannover dank seines „grundsoliden Umgangs mit hochwertigen Produkten, die modern, oft ‚mediterran’ dargeboten werden, wie Pata negra-Schnitzelchen in der Melonensuppe oder die in Merlot geschmorte Ochsenbacke mit Steinpilzrisotto“.

Auf 15 Punkte und damit in jenen Rang, in dem nach Gault Millau-Verständnis Kochen zur Kunst wird, schafft es Benjamin Mensel, der Küchenchef von Norbert Schus „Insel“ in Hannover: „voller Harmonie das Zusammenspiel von Jacobsmuschel und Cassis-Zwiebeln, famos das Kotelett vom St-Pierre mit einer ebenso einfachen wie stimmigen mediterranen Begleitung aus Nizza-Oliven, Kapern und schwarzem Risotto.“

Platz 1 der kulinarischen Hitparade in Niedersachsen halten mit ihren 19 (von 20 möglichen) Punkten die vom Gault Millau zur Weltklasse gezählten Thomas Bühner vom „La Vie“ in Osnabrück und Sven Elverfeld vom „Aqua“ in Wolfsburg. „Die Ouvertüre unseres letzten La Vie-Menüs, Gänsestopflebercrème mit Zitronengranité und Gänselebereis in Coca Cola/Bacardi-Jus, hätte uns beinahe umgehauen – Bühner startet eben gern mit einem Fanfarenstoß.

Sein Milchlamm ‚von Vorn bis Hinten’ bot Bries, Nacken, Schulter, Rücken und Schwanz in diversen Zubereitungsarten – ein technisches Kabinettstück, bei dem die um keine Idee verlegene Küche mit einer gänzlich unerwarteten japanischen Sojabohnenpaste gleichsam die zum Lamm übliche Bohnenbegleitung parodiert, aber dem Tierchen wunderbar gerecht wird“. Auch bei Elverfeld kommen „zum Auftakt, der wie Feuerwerksmusik inszeniert ist, (im vom Meister selbst entwor-fenen Acryl-Geschirr) große Kleinigkeiten: karamellisierte, mit leichter Sardellen-Crème und Kaper gefüllte Kalamata-Olive, kecker Obazda mit Preiselbeergelee, amüsanter Tomaten-Caipirinha…

Als einen neuen Klassiker der Aqua-Küche werden wir wohl noch desöfteren den Tafelspitz vom Lamm bejubeln, seit sie das Fleisch etwas dicker schneidet und es dadurch saftiger ist. Die Grüne Sauce dazu, stilgerecht von Ei und Kartoffel begleitet, ist museumsreif wie ein Mondrian-Gemälde arrangiert.“

Ihre 17 Punkte aus dem Vorjahr verteidigen souverän:

• Dieter Grubert vom „Titus“ in Hannover („verwegen, doch absolut stimmig die Taubenbrust mit Safran-Kohlrabi, leicht geräuchertem Erbsenmus und Curry“),

• Götz Knauer vom „Torschreiberhaus“ in Stadthagen („rastlos auf der Suche nach neuen Aromen, Kombinationen und Produkten tischt er gebackenen Markknochen mit zartem Petersilien/Kapern-Salat oder modisches Mars-Eis mit Whisky, Mango und Maracuja auf“),

• Stephan Schilling vom „Schillingshof“ in Friedland („sein geräucherter Aal verliert an Deftigkeit in der gut aufgeschlagenen würzigen Melange aus wenig Sahne, Brühe, Olivenöl und herb-süßen Spitzen der Brunnenkresse“),

• Achim Schwekendiek vom „Schlosshotel Münchhausen“ in Aerzen („zum prächtig im Stil des französischen Empire dekorierten Restaurant passt die allerfeinste, von hauchdünnem Pfefferkrokant bedeckte Stopfleber/Schokoladen-Alliance mit Himbeeren, die mit Himbeer-Balsamessig benetzt sind – selbstverständlich auf luxuriösesten Porzellantellern dargeboten“ ) und

• Hans Sobotka vom „Endtenfang“ in Celle, der „Celle auf der kulinarischen Landkarte in die Heiterkeit des Südens versetzt und dessen Steinbutt man kaum noch übertriebener begleiten kann: salzige Zitrone, Paella-Sud, Pulpo, Lauch, Kartoffelstampf und Ibrico-Schweinsbäckchen“.

Die Tester beschreiben und bewerten dieses Jahr insgesamt 59 Restaurants in Niedersachsen. 47 Küchenchefs zeichnen sie mit einer oder mehreren Kochmützen aus, wofür die Könner am Herd mindestens 13 von 20 möglichen Punkten erreichen mussten, was einem Michelin-Stern nahe kommt. Das gelang unter den neuaufgenommenen Restaurants den „Tannenstuben“ in Bad Harzburg und dem „N’eys“ auf Norderney (13 Punkte).

Im Vergleich zur Vorjahrsausgabe serviert der wegen seiner strengen Urteile und deren zuweilen sarkastischer Begründung von den Köchen gefürchtete, von den Gourmets mit Spannung erwartete Gault Millau in Niedersachsen 7 langweilig gewordene Restaurants ab und nimmt 6 inspirierte Küchen neu auf; 10 werden höher und 6 niedriger bewertet, von denen 2 die begehrte Kochmütze ver-lieren.


Die besten Restaurants des Gault Millau in Niedersachsen


19 Punkte:

1. La Vie in Osnabrück,
Aqua in Wolfsburg,

17 Punkte:
3. Schlosshotel Münchhausen in Aerzen,
Endtenfang in Celle,
Schillingshof in Friedland,
Titus in Hannover,
Torschreiberhaus in Stadthagen,

16 Punkte:
8. Palio in Celle,
Sterneck in Cuxhaven,
Gauß* in Göttingen,
Gastwirtschaft Wichmann* in Hannover,
Zum Heidkrug in Lüneburg,
Vila Real in Osnabrück,
La Fontaine in Wolfsburg,

15 Punkte:
16. Gasthaus Lege in Burgwedel,
Allerkrug in Celle,
Biewald in Friedland,
Altes Jagdhaus, Berggasthaus Niedersachsen, Die Insel* und Tropeano Vino
in Hannover,
La Forge in Bad Nenndorf,
Das kleine Restaurant in Pattensen,
Das weiße Haus in Rastede,
Apicius in Bad Zwischenahn.

* Aufsteiger
Pressetext via Gault Millau