Frank Rosin aus Dorsten kocht sich im neuen Gault Millau 2010 unter die Top 40 der deutschen Köche / „Restaurateur des Jahres“: Erhard Schäfer aus Köln / Starkoch Nils Henkel wegen „Heringsmüll“ abgewatscht.
Frank Rosin beeindruckt „bei jedem Gericht durch seine ungewöhnlichen Aromenverbindungen, die mitunter unvereinbar und manchmal gewagt scheinen wie bei den Steinpilzen mit kandierter Limone, aber immer sehr durchdacht und harmonisch sind“, lobt die französische Gourmetbibel Gault Millau in ihrer jetzt erscheinenden Deutschlandausgabe 2010.
Er bereitet in seinem Restaurant in Dorsten, „nicht nur hervorragende große Küche wie Kabeljau in leicht gelierter, fruchtiger Tomatenessenz, sondern auch mit viel Geschick und großem Aufwand ausgedachte Kleinigkeiten, die er ‚Schmackofatze’ nennt, zum Beispiel Petersiliensalat mit orientalischen Aromen oder Möhreneintopf mit Kokos und getrockneten Kirschen“. Dafür erhält er im Guide, der nach dem französischen Schulnotensystem urteilt, 18 von 20 möglichen Punk-ten. Sie stehen für „höchste Kreativität und bestmögliche Zubereitung”. Eine höhere Note haben in Deutschland nur 11 Köche.
17 Punkte erreicht erstmals Hans Horberth vom „La Vision“ in Köln für Gerichte wie „roh marinierter Thunfisch auf einer Art Risotto aus Hartweizengrieß mit pulverisierten schwarze Oliven und Zitrusfruchtsalat oder mit Blutwurst im Stru-delteig gebackener Steinbutt mit Apfel/Meerrettich-Ragout“.
Die gleiche Bewertung bekommen an ihren neuen Herden auch Volker Drkosch, der aus Hessen ins „Victorian“ nach Düsseldorf wechselte und „mit unerwarteten Aromenkombinationen wie Valrhonaschokolade, Gurke und Joghurt überrascht“, sowie Er-hard Schäfer vom neueröffneten „Maître im Kuckuck“ in Köln.
Der „Kölner Klassik-Großmeister“, bis zum Frühjahr 2009 im dann geschlossenen „Börsen-Restaurant“, übernahm anschließend mutig mitten in der Krise das kulinarisch entschlafene Kölner Traditionslokal „Kuckuck“ im Nobelstadtteil Lindenthal und bereicherte es für Gourmets um ein neues „Maître“, in dem er „exquisite klassische Gerichte bietet, aber auch die Sonne der Provence scheinen lässt“. Weil er zudem noch das andernorts oft schwächelnde Mittagsgeschäft mit feinbürgerlichen Zubereitungen wiederbelebte, kürt ihn der Guide zum „Restaurateur des Jahres“.
Auf 16 Punkte, die einen „hohen Grad an Kochkunst, Kreativität und Qualität“ bedeuten, verbessern sich Günter Allmann vom „Ballebäuschen“ in Reichshof (Bergisches Land), Manfred Altgaßen vom „Eichwäldchen“ in Duisburg, Daniel Dal-Ben vom „Tafelspitz 1806“ in Düsseldorf, Michael Debus vom „Gasthaus Fiester Hannes“ in Burbach, Jürgen Köpp vom „Landhaus Köpp“ in Xanten, Sebastian Messinger vom „Bitzerhof“ in Köln und Klaus Verheyden von der „Alten Bürgermeisterei“ in Geldern.
Auf 15 Punkte und damit in jenen Rang, in dem nach Gault Millau-Verständnis Kochen zur Kunst wird, schafften es Marcus Graun von der „Enoteca“ in Bergisch Gladbach, Michael Reinhardt vom „1806“ in Düsseldorf, „Monkey’s West“ in Düsseldorf, „Die Mühlenhelle“ in Gummersbach, „Gruber’s“ und „Hanse Stube“ in Köln und „Kurlbaum“ in Moers.
Eins auf die Kochmütze bekommt „der sonst so ehrenwerte“ Nils Henkel vom „Gourmetrestaurant Lerbach – Nils Henkel“ in Bergisch Gladbach, weil ihm wie auch allen anderen Köchen, die Heringskaviar verwenden, ein Punkt abgezogen wird. Der Guide empfindet dieses von französischen Behörden als Heringsmüll bezeichnete Kunstprodukt aus geräucherten Heringsabfällen, Wasser, Salz, Maisstärke, Zitronensaft und Zitronensäure und Tinte vom Kalamar sowie Xanthan (das gemeinhin für Tapetenkleister verwendet wird und Ketchup so schön zähflüssig werden lässt) als Sittenverfall. Der Gault Millau hat den Heringsmüll schon in seiner letzten Ausgabe als verwerfliche Lebensmittelchemie abqualifiziert und Sanktionen gegen solche Produkte und zuviel Chemie im Essen angekündigt. Henkel verlor mit dem 19. Punkt auch den alleinigen zweiten Platz im Lande.
Platz 1 der kulinarischen Hitparade des Gault Millau in NRW hält seit 4 Jahren mit 19,5 Punkten der „gegenwärtig mehr schöpferische Kraft als je zuvor investierende und zur Weltspitze zählende“ Joachim Wissler vom Restaurant „Vendôme“ im „Grandhotel Schloss Bensberg“ in Bergisch Gladbach. Er „entwirft Menüfolgen, die viele aufregende Geschichten erzählen, sprühend vor kulinarischem Witz, voller Überraschungen und Umschwünge.
Wenn der ‚Stramme Max’ von der Poularde aufgetragen wird, riecht es wie in einer Hühnchenbraterei. Man knabbert krosse Hühnerhaut und frittierte Zwiebeln, aber aus dem Geflügel wurde ein Gelee, das frappant nach Brathühnchen schmeckt. Beim Kabeljau ‚vom Kopf bis zur Flosse’ garnieren Bäckchen, Stirn und Zunge ein Erbsensüppchen mit aufgewickeltem, schmelzendem Lardo und erinnern daran, dass man im Prinzip alles essen kann von einem Tier – wenn es so meisterlich zubereitet wird wie hier.“
Der NRW-Kochkönig hat neben Nils Henkel 5 Kronprinzen, die ihre 18 Punkte aus dem Vorjahr souverän verteidigen:
• Jean-Claude Bourgueil vom „Schiffchen“ in Düsseldorf, der sich „vom Ruf des alten Meisters befreien möchte: Zwischen den hochgelobten Klassikern stehen immer mehr neue Kreationen der modernen Leichtigkeit und weltof-fenen Aromenvielfalt wie Cappuccino von Schwimmkrabben, der wundervoll mit Koriander abgestimmt war. Dazu gab es das Krabbenfleisch in Tempurateig eingebacken und als kleines Allerlei in der Krabbenschale“.
• Dieter L. Kaufmann von der „Traube“ in Grevenbroich, „der Aromen unaufdringlich, aber doch intensiv konzentrieren kann und einfache harmonische Kombination bietet – einfach in dem Sinne, dass an Rezeptur und Präsentation nichts verbessert werden kann“.
• Eric Menchon vom „Le Moissonnier in Köln zelebriert „eine moderne Hoch-küche, deren Kreativität und Originalität ihresgleichen suchen, etwa bei der Langoustine auf zwei Arten: in Zitronengrasconsommé badendes rohes Carpaccio sowie gebratene Schwänzchen in Vin jaune (Gelber Wein) mit milden Artischocken in dezenter Mandel/Rum-Crème, Erbsenpüree mit frischer Minze und herzhaften Roscoff-Zwiebeln auf stark geräuchertem Brot“,
• Peter Nöthel vom „Hummerstübchen“ in Düsseldorf „hat einen hohen Grad an Routiniertheit erreicht, verfällt aber nicht in Routine und bietet bei der ‚Lackierten Entenbrust auf Spitzkohlgemüse mit Pfifferlingen und Kartoffelrou-lade in Himbeeressigjus’ ohne Imitation asiatischer Gerichte ein eigenständiges süß-herbsaures Aromenspiel“
• Bernd Stollenwerk vom „Gut Lärchenhof“ in Pulheim bei Köln, „lässt nichts aus, was man gemeinhin mit Glanz und Gloria der Hochküche verbindet und brennt bei der Taubenbrust auf braisiertem Kopfsalat mit Curry-Jus und Ing-wer-Crème brûlée ein Aromenfeuerwerk ab“.
Damit stehen von den 110 besten deutschen Köchen (17 bis 19,5 Punkte) 18 in NRW am Herd; nur 2 weniger als im kulinarischen Musterländle Baden-Württemberg; dritter ist Bayern mit 17, vierter Berlin mit 11 Köchen.
Die Tester beschreiben und bewerten dieses Jahr insgesamt 190 Restaurants in NRW. 161 Küchenchefs zeichnen sie mit einer oder mehreren Kochmützen aus, wofür die Könner am Herd mindestens 13 von 20 möglichen Punkten erreichen müssen, was einem Michelin-Stern nahe kommt. Unter den neu eröffneten Restaurants erreicht Enis Akisik (der bis 2006 das „Bizim“ in Köln betrieb) im „Kult“ in Bergisch Gladbach, 16 Punkte. 15 schaffen die Lokale „Wein am Rhein“ in Köln und „Villa Leonhart“ in Königswinter, 14 das „Petit Charlemagne“ in Aachen, das „1550“ in Bielefeld, die „Markusstube“ in Bornheim sowie das „Opgen-Rhein“ in Oberhausen und 13 „La Cigale“ in Bonn, „Tögels Restaurant Loft 34“ in Euskirchen und „Am Aasee“ in Münster.
Im Vergleich zur Vorjahrsausgabe serviert der wegen seiner strengen Urteile und deren zuweilen sarkastischer Begründung von den Köchen gefürchtete, von den Gourmets mit Spannung erwartete Gault Millau in NRW 29 langweilig gewordene Restaurants ab und nimmt 18 inspirierte Küchen neu auf; 29 werden höher, 17 niedriger bewertet. 5 Küchenchefs verlieren die begehrte Kochmütze.
Die besten Restaurants des Gault Millau in NRW
19,5 Punkte:
1. Vendôme in Bergisch Gladbach,
18 Punkte:
2. Gourmetrestaurant Lerbach-Nils Henkel in Bergisch Gladbach,
Rosin in Dorsten*,
Hummer-Stübchen und Im Schiffchen in Düsseldorf,
Résidence in Essen,
Zur Traube in Grevenbroich,
Le Moissonnier in Köln,
Gut Lärchenhof in Pulheim bei Köln,
17 Punkte:
10.Halbedel’s Gasthaus in Bonn,
Victorian in Düsseldorf,
Herbert Brockel in Erftstadt,
Schloss Loersfeld in Kerpen,
Alfredo, La Vision* und Maître im Kuckuck** in Köln,
Zur Post in Odenthal,
Balthasar in Paderborn.
* Aufsteiger, **Neueröffnung
Pressetext via Gault Millau