Deutlich steigende Energiepreise, Oligopolbildung unter Lieferanten und immer individuellere Verbraucherwünsche – das sind die drei größten Herausforderungen für Einkaufsabteilungen von Unternehmen in der Lebensmittelindustrie.
Dies hat eine aktuelle Studie des Kerkhoff Competence Center (KCC) of Supply Chain Management an der Universität St. Gallen, des Instituts für Demoskopie Allensbach und der Lebensmittelzeitung ergeben.
Die Studie mit dem Titel „Strategische Herausforderungen für den Einkauf in der Lebensmittelindustrie“, bei der über 100 Einkaufsverantwortliche und Geschäftsführer von mittleren und großen Lebensmittelherstellern in Deutschland durch das Institut für Demoskopie Allensbach befragt wurden, erscheint am 11. Dezember 2009 in Auszügen exklusiv in der Lebensmittelzeitung.
81 Prozent der Befragten sehen die steigenden Energiepreise als die größte Herausforderung an, Oligopolbildung unter Lieferanten haben 78 Prozent als Zukunftsproblematik benannt und für 76 Prozent sind die immer individuelleren Verbraucherwünsche ein Trend, mit dem sich auch die Einkaufsabteilung beschäftigen muss. „Gerade im Lebensmittelbereich fragen Verbraucher immer stärker grüne Produkte nach“, sagt Gerd Kerkhoff, Vorsitzender der Geschäftsführung von Kerkhoff Consulting. „Damit muss sich nicht nur das Marketing, sondern vor allem auch der Einkauf beschäftigen. Wo bekomme ich welche Waren her, um ein Produkt herzustellen, das ein grünes Prädikat erhält?“ Weiterhin halten mehr als die Hälfte der Einkaufsverantwortlichen den härteren Konkurrenzkampf um sich verknappende Rohstoffe und die sich stark und schnell verändernde politische Rahmenbedingungen, vor allem im Bereich der Gentechnik, für Themen, denen sich die Einkaufsabteilung annehmen muss.
Dennoch sehen nur 15 Prozent der Unternehmen die absolute Notwendigkeit, grundlegende Veränderungen in den Einkaufsabteilungen durchzusetzen. Über zwei Drittel sind der Ansicht, dass kleine Änderungen ausreichen, um den Herausforderungen zu begegnen. 14 Prozent denken gar, sie müssten gar nichts tun. „Das Ergebnis erstaunt“, kommentiert Dr. Erik Hofmann, Vizedirektor des Lehrstuhls für Logistikmanagement an der Universität St. Gallen und Projektleiter im KCC. „Denn bisher getroffene Maßnahmen haben den Fokus auf der altbekannten Kostenreduktion und der Qualitätssicherung. Dies spricht weiterhin für eine operative Ausrichtung des Einkaufs.“
Ein Viertel der Befragten hat als Maßnahme angegeben, ihren Informationsstand zu verbessern und ihr Fachwissen zu aktualisieren. Gut ein Fünftel ist mit einer Prozessoptimierung beschäftigt. Immerhin 27 Prozent arbeiten bereits daran ihren Lieferantenkreis zu vergrößern, um der drohenden Oligopolbildung zu begegnen. Aber nur 15 Prozent der Einkaufsabteilungen haben neues Personal eingestellt und nur neun Prozent haben bereits Kooperationspartnerschaften mit Lieferanten gegründet. „Kostensenkung und operative Themen werden weiterhin einen Großteil der Arbeit und des Wertes einer Einkaufsabteilung ausmachen“, sagt Gerd Kerkhoff. „Dennoch verdeutlichen diese Ergebnisse: Auf Erkenntnis erfolgt nicht immer Handeln. Einkäufer müssten jetzt damit beginnen adäquate Lösungsszenarien zu entwerfen, um im Jahr 2020 denjenigen im Wettbewerb voraus zu sein, die das Handeln heute fahrlässig versäumen.“
31 Prozent der Befragten denkt nicht, dass die derzeitigen Maßnahmen ausreichend sind. Dennoch meinen 53 Prozent der Einkäufer, dass auch in Zukunft des Budget für die Klärung strategischer Fragestellungen nicht steigen wird – obwohl 60 Prozent angegeben haben, dass schon heute ihre Zeit „nicht ganz“ oder „überhaupt nicht“ ausreiche, um sich den aufgeworfenen Fragestellungen zu widmen. „Dies ist eine Problematik, die wir aus den Gründungstagen unserer Beratung kennen“, sagt Kerkhoff. „Früher hatten die Einkaufsabteilungen nicht genügend Zeit sich um die effiziente Kostenreduktion zu kümmern, weil sie mit dem täglichen Dispositionsgeschäft überlastet waren. Heute haben Unternehmer die Wertigkeit der Einkaufsabteilung als Kostenhebel erkannt, vernachlässigen aber eine Investition in strategische Themen.“
Diese Einschätzung wird auch von wissenschaftlichen Beobachtern des Marktes geteilt. Dr. Erik Hofmann von der Universität St. Gallen ist der Ansicht: „Anstatt sich ausschließlich auf Kostenreduzierung und reaktive Qualitätskontrolle zu fokussieren, setzen Vorreiter in der Lebensmittelindustrie dem Einkauf neue Ziele, nachhaltige Wertbeiträge in den Beschaffungsmärkten zu erzielen und das Unternehmen proaktiv auf die sich abzeichnenden Megatrends vorzubereiten.“