„Supra“ Zeremonie, Georgien – Ein Festmahl & Lobgesang auf die georgische Küche: Georgien war vor einigen Jahren als Reiseland noch komplett unbekannt. In den letzten drei Jahren würde ich sagen, hat sich das um 360 Grad gedreht. Auch, weil das Land strukturelle Änderungen in relativ kurzer Zeit weit vorangetrieben hat und für Touristen ein Schlaraffenland ist. Freilich ist noch nicht alles so wie bei uns in Europa, man sieht die Sowjetzeit schon noch hier und da, aber gerade das macht es auch äußerst sympathisch und spannend zu entdecken. Gerade auch für Feinschmecker ist Georgien ein lohnendes Ziel, denn viele Zutaten, die es hier gibt, werden bei uns kaum gebraucht und auch eingelegte Lebensmittel, wie zum Beispiel „Jonjoli“ sind komplett unbekannt.
Jedenfalls ist die georgische Küche etwas Besonderes, hat ihre ganz eigene Kultur und gegessen wird hier gern. Nicht nur gegessen, sondern auch getrunken, nämlich vor allem Wein. Der Weinbau in Georgien hat eine lange Tradition, die über 7000 Jahre zurückreicht. Georgien ist damit eines der Ursprungsländer des Weinbaus und der kultivierten Weinrebe. Das Land verfügt über günstige geologische und klimatische Voraussetzungen, die Weinfeste sind legendär. Die georgische „Supra“ ist ein Fest der georgischen Küche und ja, es geht über den Genuss meist ein bisschen hinaus, wenn der Wein in Strömen fließt.
„Supra“ Festessen, Georgien – der Tamada gibt den Takt vor
Bei der „Supra“ werden Speisen im Überfluss serviert, allerdings im Unterschied zu Europa gibt es keine persönlichen Portionen oder gar ein Buffet, sondern die Speisen werden in die Mitte des Tisches gestellt und die Gäste bedienen sich nach Herzenslust. So hat man die Möglichkeit, leicht alle Arten von Speisen durchzuprobieren. Bei einem Supra-Fest wird auch reichlich Wein konsumiert. Als Besonderheit wird vom Gastgeber ein Zeremonienmeister ernannt, der für die Trinksprüche zuständig ist.
Dieser Tamada (ტამადა) ist für den reibungslosen Ablauf des Festes genauso zuständig wie für die gute Laune der Gäste. Doch ein Tamada ist nicht nur jemand, der Trinksprüche ausspricht, sondern muss charmant sein, witzig, schlagfertig und spontan. Darüber hinaus muss er aber auch eine gewisse Autorität ausstrahlen, um die Ordnung an der Tafel aufrechtzuerhalten, beispielsweise durch das Zurechtweisen von Gästen, die sich daneben benehmen. Andererseits muss er dafür sorgen, dass die Laune gut ist, Wein getrunken wird, aber keiner der Gäste ins Delirium abdriftet – eine abendfüllende Aufgabe also.
„Supra“ Festessen, Georgien – 3-4 Liter Wein pro Person sind völlig normal
Bei großen Festessen sind oft mehrere Dutzend bis einige hundert Gäste anwesend, da muss der Tamada sich meist auch einem Mikrofon bedienen, um für alle gut erreichbar zu sein. Dann werden auch Stellvertreter bestimmt, die die Trinksprüche des Tamada an den entlegenen Tischen weitergeben und etwas auf die Gäste achten. Es gilt der Grundsatz: Getrunken werden darf nur, wenn der Tamada einen Trinkspruch ausspricht. Es gibt sogar eine Tamada-Statue in Tiflis aus Bronze, wer sie besichtigen möchte, sie befindet sich in der belebten Chardeni Straße. Neben heiteren Trinksprüchen die der Situation angepasst werden, sind auch Sprüche über verstorbene liebe Menschen enthalten. Doch gilt der Grundsatz, dass diese knapp gehalten werden und kurz darauf wieder etwas Erheiterndes ausgesprochen wird, um die Laune zu erhalten.
Bei einem großen Festessen mit der ganzen Familie muss der Gastgeber darauf achten, dass nicht nur der Wein, sondern auch die Speisen niemals knapp werden. Schließlich soll jeder der Anwesenden satt werden und sich gut an die Supra erinnern. Dies führt leider zu der absurden Situation, dass Unmengen an Essen übrig bleibt. Meist wird es anschließend von der Gastgeberfamilie mitgenommen oder aber zwischen den Familien geteilt. Als guten Richtwert für georgischen Wein, sollte der Gastgeber mindestens 3-4 Liter pro Person vorrätig haben, besser sogar mehr. Sie ahnen schon, hier wird geklotzt und nicht gekleckert!
Tipp: Empfehlenswert für Liebhaber der georgischen Küche, der Supra oder für Menschen, die alsbald eine kulinarische Reise planen, ist das Buch "Supra, ein fest der georgischen Küche", von Tiko Kuskadze. Es ist recht neu und über Amazon oder ähnliche Buchhändler erhältlich. Die Rezepte lassen sich darüber hinaus auch bei uns in Europa gut umsetzen.
Speisen bei der Supra – traditionelle Speisen Georgiens & saisonal angepasst
Bei der „Supra“ achtet man ebenfalls auf die Jahreszeit. Das, was die heimischen Märkte und Gärten hergeben, wird verwendet. Auch Kräuter und Nüsse sind beliebt, hier vor allem die Walnuss. Ich selbst habe noch nie so viele Speisen gegessen, wo Walnüsse integriert waren, wie in Georgien. Meist wird sie als Paste verwendet und für Fleisch und Salate unter gemengt. Bei einer solchen Tafel sollte einfach alles dabei sein. Reichlich kleine Vorspeisen, Salate, eingelegte Dinge wie Jonjoli, Fleischplatten sind unverzichtbar, Fisch und natürlich Chinkali, die gefüllten Teigtaschen.
Nebenbei sollte freilich auch Brot nicht fehlen. Hier vor allem Chatschapuri in allen erdenklichen Arten. Chatschapuri (ხაჭაპური, engl. Khachapuri) ist eines der Standardgerichte Georgiens und eine der, wenn nicht gar die, Nationalspeise schlechthin. Es handelt sich dabei um Hefeteig, der, ausgerollt und mit Käse belegt, anschließend im Backofen gebacken wird. Es gibt sie auch gefüllt mit Käse, als Boot geformt mit Käse, Butter und Ei – ach in so vielen Arten, einfach wunderbar! Die Salate werden nie abgeräumt, sondern bleiben während des gesamten Festmahls, des „Supra“, auf dem Tisch.
Auf die kalten Speisen folgen diverse warme Kleinigkeiten. Vegetarisch oder mit Fleisch – die Vielfalt ist überwältigend. Zwischen den Gängen werden Häppchen in schier unendlicher Zahl angeboten und in Schüsseln gereicht. Die georgischen Gewürze, wie z. B. die »getrockneten Kräuter« Chmeli Suneli, bieten dabei stets neue Geschmacksinspirationen.
Wenn auch schlichter als der Rest, so ist die Nachspeise meist ein Kuchen, Traubengelee oder eine Käseplatte, dennoch ein grandioser letzter Gang. Und eines ist sicher: Jeder ist satt und zufrieden! Wer als Europäer zu solch einem Fest eingeladen ist, der muss sich damit abfinden, dass eine ganze Menge Essen übrig bleibt. Dies ist einfach kulturell so bedingt, denn wenn alles aufgegessen würde, wäre das schier eine Beleidigung für den Gastgeber. Prost!